Kupieren von kurzhaarigen Jagdhunden am Beispiel des Magyar Vizslas - Keine leichte Entscheidung!
- Sigrid Ackert
- 26. Dez. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Mai 2023

Diese Hündin ist kupiert, dieser Rüde nicht. Erkannt?
Zunächst einmal die formalen Grundlagen in Deutschland:
§ 6 TierSchG
(1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen…eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn
1. der Eingriff im Einzelfall
a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder
b) bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerläßlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen,….
Eingriffe … sind durch einen Tierarzt vorzunehmen; …
Eingriffe nach (1) Satz 2 Nummer … 1b, …,
…. dürfen auch durch eine andere Person vorgenommen werden, die die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. …
Der Rasse-Standard (FCI Nr. 57 Kurzhaariger ungarischer Vorstehhund)
Rute:
… In Ländern, in denen kein Kupierverbot gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die Rute vorsorglich für den Jagdeinsatz um ein Viertel gekürzt….
Grundsätzlich ist also das Kupieren in Deutschland verboten. Das TierSchG sieht allerdings eine Ausnahme für jagdlich zu führende Hunde vor, von der der Zuchtverein (VuV / VDH / FCI) Gebrauch macht und das Kupieren empfiehlt. Letztendlich kann bzw. muss der Jagdhundezüchter entscheiden, ob er seine Welpen kupieren lässt oder nicht. Keine leichte Entscheidung, da es Argumente dafür, wie auch dagegen gibt.
Zumindest steht fest, das allein das optische Erscheinungsbild, die Gewohnheit oder Tradition das Kupieren der Ruten nicht rechtfertigen kann. Vielmehr müssen gewichtige Gründe in der Funktionalität vorliegen, die einen nicht unerheblichen körperlichen Eingriff, wie das Kupieren, rechtfertigen.
Im Folgenden werden relevante Punkte aufgelistet, die bei einer Abwägung berücksichtigt werden sollten. Die jeweilige Gewichtung und damit die Entscheidung für oder gegen das Kupieren muss jeder Züchter kurzhaariger Jagdhunderassen persönlich treffen!
* Kupierte Hunde benötigen eine tierärztliche Bescheinigung, die den Ausnahmetatbestand des § 6 (1) 1b TSchG darlegt.
* Soll ein kupierter Hund in Deutschland auf VDH Veranstaltungen ausgestellt werden, muss eine tierärztliche Bescheinigung und der Jagdschein vorgelegt werden.
* Kupierte Hunde dürfen in Deutschland nur an Jagdscheininhaber verkauft werden. Auch ein späterer Weiterverkauf ist legal nur an Jäger möglich.
* Kupierte Hunde dürfen in viele europäische Länder nicht exportiert/verkauft werden, da es in fast allen Ländern seit vielen Jahren ein absolutes Kupierverbot gibt (z.B. Österreich, Frankreich, Schweiz, Niederlande, Belgien…). Der europäische Trend geht eindeutig zum nichtkupierten Jagdhund. Der Markt ist damit für kupierte Hunde durchaus eingeschränkt.
* Kupierte Hunde dürfen trotz deutscher Bescheinigung nach § 6 (1) 1b TSchG in vielen Ländern weder auf Ausstellungen gezeigt, noch auf Jagdprüfungen geführt werden. Wer also internationale Ambitionen hat, wird schnell an Grenzen stoßen.
* Viele Tierärzte lehnen es ab einen Wurf zu kupieren. Es werden ethischen Gründe, mangelnde Übung oder fehlende medizinische Notwendigkeit als Begründung vorgebracht. Entscheidet man sich als Züchter für das Kupieren, muss erst einmal ein im Kupieren erfahrener Tierarzt in der Nähe gefunden werden. Formal müsste dem Tierarzt vor dem Kupieren ein entsprechender unterschriebener Kaufvertrag zwischen Züchter und Jäger vorgelegt werden, damit der Tierarzt nicht gegen § 6 (1) 1b TSchG verstösst. Üblicherweise werden die Welpen aber bis spätestens zum 3. Lebenstag kupiert, jedoch zumeist erst im Alter von 8 Wochen mit der Abgabe formal verkauft. Um rechtssicher zu agieren, müsste der Züchter diese Praxis ändern, was wiederum andere rechtliche Themen mit sich bringt. Wer soll das Risiko tragen, wenn ein bereits verkaufter, kupierter Welpe später z.B. im Milchgebiss Zahnfehler zeigt, bis zur Abgabe erkrankt oder sonstige Unwägbarkeiten auftreten. Der Züchter würde sich damit auch die Möglichkeit nehmen, in Abhängigkeit vom Charakter des Welpens, der sich im Laufe der Aufzucht zeigt, die geeignetsten Käufer unter den Interessenten zu wählen.
* Das Kupieren kann unter Vollnarkose oder ohne Betäubung erfolgen. Entscheidet man sich für das Kupieren muss man entweder das Narkoserisiko für neugeborene Welpen eingehen oder in Kauf nehmen, dass die Welpen ohne Zweifel erhebliche Schmerzen ertragen müssen. Bei dem Eingriff wird die Haut zirkulär mit einem Skalpell eingeschnitten und zurückgezogen und die Rute zwischen den Wirbeln gekappt. Ein Vernähen ist in der Regel nicht notwendig, da sich die Wunde innerhalb kurzer Zeit verschließt, wird aber heutzutage oft gemacht. Die Wundheilung verläuft zumeist schnell und problemlos.
* Setzt sich der Trend, auch Jagdhunde nicht zu kupieren, weiter fort, wird der seriöse Züchter die Länge und Stärke der Rute sowie die Dichte ihrer Behaarung als Zuchtkriterien heranziehen um spätere Verletzungsrisiken zu minimieren. Bei kupierten Hunden war diese Selektion bisher nicht von Nöten.
* Eine kupierte Rute kann beim erwachsenen Hunden zu Empfindlichkeit an der Rutenspitze führen, Einschränkungen in der hündischen Kommunikation mit sich bringen und die Wendigkeit im Wasser und an Land erschweren. Phantomschmerzen, wie sie bei amputierten Menschen auftreten, sind nicht auszuschließen.
* Kurzhaarige Jagdhunde wurden in der Vergangenheit standardmäßig kupiert und dürfen auch weiterhin aufgrund einer Ausnahmeregelung im Tierschutzgesetz kupiert werden, da bei der Jagdausübung ein nicht unerhebliches Risiko besteht, dass sich der erwachsene Hund die empfindliche, lange, dünne und kurz behaarte Rutenspitze an Dornen, scharfen Blättern, Ästen etc. immer wieder blutig schlägt. Nicht selten gestaltet sich die Wundheilung schwierig, führt zu Entzündungen und macht eine spätere Amputation erforderlich, welche eine langwierige und schmerzhafte Rekonvaleszenz mit sich bringt. Wird eine Amputation im Erwachsenenalter notwendig, ist das Operationsverfahren weitaus aufwendiger, bedarf einer adäquaten Schmerz- und oftmals auch Antibiotikatherapie. Das Kupieren im Welpenalter ist ein sicherer Schutz gegen diese Gesundheitsrisiken.
* Der Zuchtverein der ungarischen Vorstehhunde (VuV) empfiehlt das Kupieren.
* Eine von der schottischen Regierung in Auftrag gegebenen Studie der Universität Glasgow kam zu dem wissenschaftlichen Ergebnis, dass mehr als 50 Prozent der unkupierten Spaniel (langhaariger Stöberhund) schmerzhafte und entzündete Verletzungen ihrer Ruten aufwiesen. Bei den untersuchten Vorstehern war jeder dritte Hund betroffen. Durch das Kupieren werde die Wahrscheinlichkeit dieser Verletzungen um das 15- bis 20-fache verringert. Schottland hat daraufhin das Kupierverbot von Jagdhunden aufgehoben.
* Lange Ruten sind einem erhöhten Unfallrisiko mit zuschlagenden Türen ausgesetzt, zumeist durch Unachtsamkeit des Halters.
* Mit langen Ruten peitschend wedelnde Hunde können nicht nur die Waden der Umstehenden empfindlich treffen, sondern sich auch ausserhalb der Jagd z.B. an kantigem Mobiliar verletzen.
* Alle Rutenverletzungen sind sehr schmerzhaft, heilen eher langsam und weisen häufig Wundheilungsstörungen auf. Jeder, der das mit seinem Hund durchmachen musste, wird feststellen, dass all dies hätte vermieden werden können durch Kupieren im Welpenalter.
* Beim Magyar Vizsla bleibt auch die kupierte Rute relativ lang. Damit wird sie wohl nur vom versierten Auge erkannt. Hündische Kommunikations- und Koordinationsbeeinträchtigungen scheinen daher auch eher gering auszufallen.
* Kupierte Ruten sind ein Statement und zunehmend ein Alleinstellungsmerkmal des Jagdhundezüchters.
Ein guter Züchter setzt sich mit diesem Thema kritisch auseinander und trifft eine wohl überlegte Entscheidung basierend auf einer Risikoabwägung:
Rechtfertigt die Wahrscheinlichkeit einer Rutenverletzung und den damit einhergehenden Gesundheitsrisiken den pauschalen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Welpen?
Dieser Artikel entstand kurz bevor mein 1. Wurf zur Welt kam und ich vor dieser Entscheidung stand. Grundlage dieser Ausführungen sind Gespräche mit langjährigen Züchtern beider Lager, vielen Jagdhundeführern, verschiedenen Tierärzten, Erfahrungsberichten Betroffener, im Internet recherchierten Fakten und Meinungen.
Nachtrag: Letztlich habe ich mich gegen das Kupieren entschieden und kann mit Stolz sagen, dass alle Welpen kräftige, harmonisch lange Ruten haben. Für mich wird die Länge der Ruten künftig bei den Verpaarungen eine wichtige Rolle spielen.
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